Troja

Sieh, das heilige Pferd steht vor den Toren und klopft mit Holzfuß um Einlaß. Und starrt aus hölzernen, hohlen Augen auf die Stadt, die dem Untergang geweiht ist. Es klopft unablässig, nur einen Weg kennt es, das Klopfen wird lauter, setzt sich in den Schädeln der Belagerten fest. Öffnet die Tore dem Tod, öffnet die Tore dem Feind, was nützt euch die Warnung einer Frau, Frauen wissen nichts von der Gegenwart und vom Krieg. Was wollen sie die Zukunft kennen? Verstecke dich, kleine Kassandra, sie schenken dir keinen Glauben, sie ziehen das Verderben mit eigener Männer Kraft in ihre Mitte. Was nützt euch die Stärke der Männer, Männer wissen nichts von Ahnung und Gefühl. Verstecke dich, kleine Kassandra, sie schenken deiner Schwarzmalerei keinen Glauben, sie glauben dem fiesen, friedlichen Grinsen eines hölzernen Hengstes mehr als dir.


Gisela Nagy, 24.06.1993