"Was ist Dir wichtig?"
"Wie meinst Du das?"
"Was bedeutet Dir was? Bedeutet Dir überhaupt irgendetwas was?"
Zarges lächelte schief mit rechts entblößten Zähnen, spuckte den Grashalm aus.
"Sex."
Ginger schüttelte beinahe unmerklich den Kopf.
"Nein, das kann es nicht sein. Das kann es nicht sein."
"Warum nicht?"
"Was ist, wenn Du mal keinen mehr hochkriegst? Dann hast Du doch nichts mehr. Das kann es nicht sein."
Zarges klopfte ihm kumpelhaft plump auf die Schultern. "Du kriegst wohl keinen mehr hoch, was?"
"Arschloch. Das ist nicht wahr."
"Glaub' ich nicht. Ich werd's mir merken, Du kriegst keinen mehr hoch."
Ginger starrte ihn an. "Du spinnst, Zarges. Aber mal ehrlich. Was ist Dir wichtig?"
"Sagte ich schon."
"Es muß doch noch was anderes geben!"
"Was soll es da schon geben?"
"Ich weiß nicht. Was es halt sonst noch so gibt."
"Und Du?"
"Was meinst Du?"
"Was ist für Dich wichtig, Ginger?"
"Freundschaft?"
"Ich scheiß auf Freundschaft. Wenn es um eine Frau geht, hört doch jede Freundschaft auf."
"So denkst Du also darüber."
"Ja."
Zarges zündete sich eine Zigarette an.
"Ich würde die Frau von nem Freund nicht antasten."
Zarges hustete, lachte. "Dann bist Du ganz schön blöd, Ginger." Er schnippte die Asche weg.
Vom See flogen Vögel auf. Irgendwelche.
Es wurde langsam dunkel.
Ginger lehnte sich zurück. Mit Tränen in den Augen blinzelte er in den Himmel.
"Zarges?"
"Ja?"
"Hast Du..." er schluckte schwer, schwieg.
"Ob ich was hab?" Zarges drehte sich um, seine Augen glänzten.
Ginger schüttelte den Kopf.
"Feigling." zischte Zarges mit zusammengebissenen Zähnen.
"Das ist es doch, was Du die ganze Zeit wissen willst, frag' mich doch! Bist Du ein Mann oder tust Du nur so?"
Ginger setzte sich auf, sah ihm fest in die Augen.
"Ich bin manns genug, Dich umzubringen, Zarges."
"Das wollen wir ja noch sehen." knurrte der. "Deiner Frau hast Du's jedenfalls nicht richtig besorgt."
"Sag' das nochmal!" "Du hast es doch gehört, wieso sollte ich mich wiederholen?"
"Aber Du, oder? Aber Du, Du blödes Drecksschwein!" "Das hab' ich nicht gesagt. Das denkst Du."
"Ich weiß, daß sie bei Dir war."
"Na und? Du traust mich doch nicht mal, danach zu fragen." "Hast Du?"
"Ob ich was hab'? Ich weiß nicht, was Du meinst. Weißt Du, wenn man nur Sex im Kopf hat, ist man manchmal ein bißchen schwer von Begriff." Zarges drückte sorgfältig seine Zigarette aus.
"Du hast bald keinen Kopf mehr." fauchte Ginger.
"Oh ja, mit Drohungen sparst Du nicht. Aber glaubst Du, ich fürchte mich vor Dir? Du kriegst ja nicht mal mehr einen hoch." "Arschloch!" Ginger sprang auf, trat ihm mit dem Fuß ins Gesicht. Zarges fiel hart getroffen auf den Boden, spuckte Blut. "Das hättest Du nicht tun dürfen." keuchte der.
"So?" Ginger zog sein Messer, kniete sich über ihn. "Ich glaube eher, Du hättest manche Dinge nicht tun dürfen!" "Du weißt gar nichts, rein gar nichts!" schrie Zarges.
"Dann klär mich auf, Kumpel!"
"Ich dachte, Du bist aufgeklärt?"
"Was hast Du mit meiner Frau gemacht?"
Zarges schüttelte den Kopf. "Nimm' erst das Messer weg."
"Du sagst es mir jetzt."
"Geredet, wir haben nur geredet."
"Du lügst."
"Ich lüge nicht, ich schwör's."
"Oh, vielleicht habe ich meine Frage nicht deutlich genug gestellt? Für einen, der so beschränkt ist, wie Du."
"Verdammt!" schrie Zarges, "Dann drück' Dich doch deutlicher aus, Arschloch!"
"Ich will von Dir genau wissen, was an diesem Abend passiert ist, als sie bei Dir war. Alles, verstehst Du?"
"Ich verstehe." schluckte Zarges.
"Dann fang' an."
"Sie kam also zu mir. Sie war ziemlich fertig, hatte geweint. Ich ließ sie rein. Machte Kaffee. Sie hat mir ziemlich viel erzählt..."
"Was, verdammt noch mal?"
"Woher soll ich das wissen?? Glaubst Du, ich hab' ihr zugehört? Es geht doch immer um dasselbe. Sie fühlen sich vernachlässigt, nicht geschätzt, niemand hört ihnen zu, Du kennst doch die Leier, Ginger. Und ich glaube nicht, daß Dich das wirklich interessiert."
"Du bist ein Idiot, Zarges." "Ich glaube eher, Du bist der Idiot, Ginger. Was bringt Dir dieses blöde Theater hier? Und wenn ich es ihr anständig besorgt hätte, was ändert das daran, daß sie Dich verlassen hat?" "Paß' auf, was Du sagst."
"Wenn sie die Schnauze voll hat, kannst Du mich doch nicht dafür verantwortlich machen."
Ginger schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. "Und ob ich das kann, das siehst Du doch?"
Zarges schrie vor Schmerzen. "Verdammt, laß' mich in Ruhe!"
"Erst wenn Du mir sagst, was Du mit meiner Frau gemacht hast!"
"Ich sag' Dir gar nichts!"
"Ich warne Dich..."
"Ginger...Nimm' das Messer weg."
"Das kannst Du Dir abschminken!"
"Hey, Mann. Du glaubst mir doch sowieso nicht."
"Habt ihr oder habt ihr nicht?"
"Ich weiß gar nicht, wovon Du redest!"
Ginger schlug erneut zu.
"Du weißt genau, wovon ich rede!"
Zarges holte tief Luft.
"Nein."
"Verdammt nochmal, soll ich's aus Dir rausprügeln? Ich bring' Dich um, Zarges, ich schwör's Dir!"
"Das tust Du doch sowieso!"
"Sag's mir jetzt!" "Nein."
Ginger verlor endgültig die Geduld. Er prügelte blind auf Zarges ein.
Der hatte nur darauf gewartet. Er war stärker als Ginger; er brauchte nur den einen Moment, diesen einzigen. Er schlug Ginger das Messer aus der Hand, versetzte ihm einen harten Schlag in den Magen. Nach Luft schnappend fiel dieser auf den Rücken. Zarges kniete sich über ihn, packte ihn an der Kehle. "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen, Arschloch!" fauchte er.
Ginger war wie erstarrt.
"Dafür, daß Du mich umbringen willst, stellst Du Dich ziemlich blöd an." spottete Zarges.
"Laß' mich los!"
"Also, mein Freund, was wolltest Du wissen? Du fürchtest Dich wohl davor, es auszusprechen! Aber ich schwöre Dir, Du wirst es noch tun."
Ginger schüttelte den Kopf. Das fahle Mondlicht spiegelte sich in seinen verletzten Augen.
"Es gefällt Dir wohl, mich zu quälen." schluckte er.
"Oh, aber Du bist doch mein Freund. Ich will doch nur Dein bestes!" lachte Zarges.
Er ließ Ginger los.
"Setz' Dich, rauch doch erstmal eine, Du bist ja völlig außer Dir."
"Laß' mich."
Zarges holte seine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche.
In der Dunkelheit flammte zischend ein Streichholz auf. Das Feuer flackerte in seinem Gesicht, als er zwei Zigaretten anzündete.
Er warf das Streichholz in den See, reichte Ginger eine Zigarette.
Schweigend rauchten sie, saßen nebeneinander, starrten auf das dunkle Wasser.
"Zarges?"
"Hmm?"
"Als meine Frau bei Dir war..."
"Ja?"
"Habt ihr nun miteinander geschlafen oder nicht?"
"Willst Du es wirklich wissen, Ginger?"
"Ja."
"Haben wir nicht."
Ginger schaute ihn entgeistert an.
"Warum hast Du das nicht gleich gesagt?"
Zarges zuckte mit den Schultern.
Er zog genußvoll an seiner Zigarette, beobachtete Ginger verstohlen aus den Augenwinkeln.
Es war schon spät.
Ein leichter Wind kräuselte das spiegelglatte Wasser des Sees.
Ginger stand auf, streckte sich.
"Ich geh' nach Hause."
"Ja, tu das. Ich rauch' hier noch eine. Mach's gut."
"Mach's gut."
Ginger drehte sich um und ging, die Hände in den Taschen.
Zarges zündete sich noch eine Zigarette an, lehnte sich zurück und starrte in den schwarzen Himmel.
Er zählte die Sterne.
Als Ginger schon lange weg war, murmelte er, so daß nur der Wind es hören konnte:
"Ehrlichkeit ist mir übrigens auch nicht wichtig."
Gisela Nagy, 05.12.1998 bis 27.12.1998